Samstag, 22. Februar 2014

Ausgelesen

 
Ich habe endlich einen kleinen Bücherstapel zum Thema Fettakzeptanz abgearbeitet.
 
Mythos Übergewicht von Achim Peters (2013)

Ausgerechnet die Brigitte Woman fiel unlängst ihrem Mutterschiff, der Brigitte, ins Heck und verkündete auf dem Titelblatt: "Alle auf Diät? Wir nicht!" (02/14) Basis für den Beitrag im Magazin war das Buch des Medizinprofessors und Hirnforschers Achim Peters, das bei mir schon seit Monaten auf dem Nachttisch gelegen hat.
 
Peters erklärt unter anderem sehr eindrucksvoll und nachvollziehbar, wie es zum Jojo-Effekt kommt, und warum "Übergewicht" seiner Erkenntnis nach immer ein Ergebnis von Stress ist. Stress, der töten kann - und der Menschen, die auf Stress nicht mit vermehrtem Essen reagieren, eher dahinrafft, als Menschen, die unter Stress mehr Energie zu sich nehmen. Ein gestresstes Gehirn braucht nämlich genau das - mehr Energie. Es kann diese aus dem Körper ziehen - in Verbindung mit hoher, konstanter Cortisolbelastung. Oder aus der Nahrung, die der Gestresste zu sich nimmt. Das führt dann allerdings zu Gewichtszunahme. Langfristig, so Peters, ist die zweite Variante aber deutlich gesünder - vielleicht nicht für die Knie, aber für alles andere schon. 
 
Sein Fazit: Stress bekämpfen, wo immer möglich. Und Dicke endlich in Ruhe und so lassen, wie sie sind. Denn Diäten erzeugen natürlich auch Stress, so dass ein Körper, der durch eine Diät bereits unterversorgt ist, auch noch einen höheren Bedarf entwickelt, bzw. vom Gehirn, das um jeden Preis seine wichtigsten Funktionen erhalten will, geplündert wird. Peters macht klar, dass dieses Spiel schlicht nicht zu gewinnen ist - und jeder, der es scheinbar gewonnen und erheblich abgenommen hat, wird sich irgendwann mit den Folgen chronischer Unterversorgung und dem daraus resultierenden Stress konfrontiert sehen - oder wieder zunehmen.
 

 
The Obesity Myth von Paul Campos (2004)
 
Man fragt sich, ob die Ähnlichkeit im Titel ein Zufall ist...auf jeden Fall war Campos zuerst da. Inhaltlich sind beide Betrachtungen des Themas sehr unterschiedlich - Campos analysiert, wie Fett und Dicke in einer fettphobischen Umgebung diskriminiert werden und wie dieser Mechanismus bestimmten Bevölkerungsgruppen/-schichten zur Abgrenzung und Selbsterhöhung dient. Er wirft einen Blick auf die Verbindung zwischen Dicken-Bashing und Rassismus. Außerdem geht er der Frage nach, wie stabil die wissenschaftliche Grundlage, auf die sich der Krieg gegen das Fett traditionell stützt, überhaupt ist. Wie Peters kommt er zu dem Schluss, dass Unwahrheiten nicht dadurch wahrer werden, dass alle sie glauben. Eindrucksvoll: Auch er hat vor 10 Jahren bereits den Trend innerhalb der Diät-Industrie identifiziert, Diäten nicht mehr "Diäten" zu nennen. Schließlich wissen wir alle, dass die ungesund und freudlos sind. Daran ändert sich allerdings bekanntlich nichts, wenn man das ganze Elend "Ernährungsumstellung" nennt.
 
 

Kreuzzug gegen Fette (2008)
 
Herausgegeben wurde diese Sammlung wissenschaftlicher Aufsätze von Henning Smidt-Semisch und Friedrich Schorb. Eine interessante Lektüre, wenn man sich mit den Mechanismen der Verankerung von allgegenwärtiger Fettphobie im gesellschaftlichen sowie politischen Zusammenhang noch genauer beschäftigen will. Auch gut, um sich herauszupicken, was einen besonders interessiert. Mich hat besonders die Entstehung und Etablierung des Forschungsgebietes "Fat Studies" interessiert. Da werde ich mich mal weiter umsehen.
 
 

Shadow on a Tightrope von Lisa Schoenfielder / Barb Wieser (Hrsg.) (1983)
 
Diese Sammlung von sehr persönlichen Texten von Autorinnen über die Schwierigkeit, als Dicke das Leben in einer fettphobischen Gesellschaft zu meistern, ist also 30 Jahre alt. Mit dieser Information im Hinterkopf, ist die Lektüre extra ergreifend - und macht einen außerdem mitunter besonders verzweifelt. Der Schmerz des oft ungewollten Outsider-Daseins und das Aushalten täglicher Demütigung sowie des eigenen, von außen erfolgreich angefeuerten Selbsthasses - all das ist mir nur zu vertraut. Und noch lange nicht vorbei. Tatsächlich erwächst aus der Lektüre die Erkenntnis, dass sich im Prinzip in der Außenwelt nicht viel verändert hat - wenn überhaupt, sind Körperideale eher noch restriktiver geworden. Medizin und Politik scheinen sich schlicht zu weigern, ein neues Lied zu lernen, obwohl alles dafür spricht, dass der allumfassende Kampf gegen Dicke, auch was medizinische Annahmen betrifft, auf so gut wie nichts als flammender Irrationalität basiert.
 
Bei dem folgenden Zitat habe ich wenig geweint:
 
"It is only when I walk in daylight that I am afraid. (...) I am afraid of the insults that echo off car windshields. I am afraid of my reflection in storefront windows.
How can I describe this feeling of always wantig to hide. To become invisible. To go deeper and deeper into myself where I am safe." (Sue McCabe, Seite 134)
 
 
 
Stop Dieting Now! von Golda Poretsky (2010)
 
Dieser dünne Band wurde verfasst und herausgebracht von eben jener Trainerin, die auch dieses Internet-Seminar zum Thema Fat Sex organisiert hat, und das mich tatsächlich dazu gebracht hat, die ausgesprochen hilfreiche und heilsame Bekanntschaft mit Fettliebhabern zu machen. Das Büchlein liest sich schnell und ist eine gute Unterstützung, wenn es darum geht, sich endlich sowohl praktisch als auch im Kopf vom Diätzwang zu befreien und wieder normal zu essen. Ein paar der von ihr genannten 25 Gründe, warum es dafür höchste Zeit ist: JEDE Diät führt zum Jojo-Effekt (Nr. 2). Diäten verringern dein Selbstwertgefühl (Nr. 7). Diäten verleiten dazu, zu glauben, Gesundheit sei einzig vom Gewicht abhängig (Nr. 15). Die Diätindustrie will nicht, dass man wirklich erfolgreich abnimmt (Nr. 19). Die Legende von der Diät, die tatsächlich funktioniert, stützt die gesellschaftliche Diskriminierung von Dicken (Nr. 23).
 
 
 
Die Diva-Diät von Jodi Lipper / Cerina Vincent (2009)
 
Wieder ein Mangelexemplar vom Grabbeltisch - meine Vermutung war, dass es schönes Material für eine Satire hergeben würde. Die Wucht, mit der die Dummheit einem entgegen schwappt, wenn man dieses Büchlein öffnet, war allerdings auch für mich überraschend. Tatsächlich konnte ich es nicht zu ende lesen, sondern habe ab der Mitte nur noch überflogen. Kostprobe gefällig? Das Buch beginnt mit der Frage: "Wie werde ich eine selbstbewusste und attraktive Frau - eine Diva?" Und die Antwort ist NATÜRLICH, "(...) auf Kalorien zu achten" (S. 23). Merke: "Rühreier im Restaurant zu bestellen kann sehr riskant sein..." (S.33), "Bratkartoffeln sind das "Brunch-Tabu Nr. 1" (S. 41) und frisch gebackenes Brot riecht besser, als es schmeckt, darum "Selbstbeherrschung, bitte!" (S.49). Ohnehin - wer abends noch Hunger hat, sollte lieber schlafen gehen...und überhaupt: "Es wird Sie nicht umbringen, sich ein paar Tage lang zu triezen" (S. 205), denn "Traumfrauen sind sportlich. Das ist einfach so." (S.220) Jahaa, liebe Kinder auch für dieses Buch sind Bäume gestorben...
 
 
NH

Donnerstag, 20. Februar 2014

Perfekt

Ich habe ihn gefunden - den Entwurf für die zweite Tätowierung meines Lebens. Wohin mit ihr? Auf die Innenseite eines der winkenden Oberarme natürlich. Welche Seite ist noch nicht ausgemacht. Vermutlich links. Jetzt brauche ich allerdings auch noch genug Mut, denn dieser Plan wird - anders als meine Süße am Handgelenk - vermutlich wehtun. Und mittendrin aufhören kann man nicht. ; )




NH

Sonntag, 9. Februar 2014

Zum Kugeln

Sind sie nicht hübsch?

 


Ich LIEBE ja Plastik in klaren, knalligen Farben. Das ist auch der Grund, warum ich jetzt im Besitz von drei Paaren Vaginalkugeln, sowie einer Analkette bin. Die Ostereier und die Kette stammen von einer Dildo-Party, zu der ich vor Kurzem eingeladen war (ein Haul, ein Haul!*) - das ist quasi eine Tupperparty, nur halt mit Vibratoren und anderen nützlichen Produkten wie Toy-Reiniger, billigen, aufdringlich riechenden Massageölen, quietschbuntem Badesalz, Lotion für frisch rasierte Körperregionen, etc.

Ja, die Dildo-Verkaufspräsentation war überraschenderweise in weiten Teilen mit Körperpflegeprodukten befasst. Wie ich später von der "Dildo-Fee" persönlich erfuhr, ist das ein Zugeständnis an die Tatsache, dass offenbar auch heutzutage noch viele Kundinnen leicht an ihre Grenzen kommen, wenn bei Kaffee und Schnittchen zu viel von Penetration die Rede ist. Und der kühlende und knisternde Schaum, den ich am Ende zusätzlich erworben habe, lässt sich im Sommer auch ganz hervorragend für heiße und geschwollene Füße verwenden. Man muss sich nicht alles zwischen die Beine schmieren, was hier die Runde machte. Nicht einmal das Gleitgel - das eignet sich nämlich auch sehr schön als Handcreme.

All das Phallusartige, das dann doch noch herumgereicht wurde, war zumeist pastellfarben, hatte lustige Tierköpfe, oder sah aus, wie Softeis. Seit wann ist es eigentlich abgemachte Sache in Biedermeierland, dass Frauen lieber vibrierende Delfine als Schwänze in ihrer Vagina haben? Ist es gar eine Frage von sauber gegen schmutzig / unschuldig gegen unanständig? Ich kann nicht umhin zu sagen, dass mich dieser Verdacht einigermaßen betroffen macht. Die anwesenden Einkäuferinnen hielten sich der Reihe nach auf Anraten der Dildo-Fee die Maschinchen an die Nasespitze, um die vermeintlich beachtliche Vibrationsleistung zu erfahren und be-uhhten und be-ahhten auch wahrlich den offenbar durchschlagenden Effekt. Ich war nicht beeindruckt - ich glaube ja, dass sich da seit dem Kauf meines ersten und einzigen Vibrators vor rund zwanzig Jahren nicht viel geändert hat. Das nervige Geräusch ist auf jeden Fall noch immer da. Und die Position der Häkchen an einigen der Geräte, die angeblich die Klitoris adequat stimulieren sollen, ist auch noch immer die selbe - und mir nach wie vor ein Rätsel.

Das Highlight der Veranstaltung war eine vibrierende Vaginalklammer mit Fernbedienung. Diesen Teil der Gerätschaft, so hieß es, könne man dann ja dem Partner anvertrauen, weil Männer doch so viel Spaß an Technik haben. Das fanden scheinbar alle lustig - außer mir natürlich. Eine Fernbedienung mit der ein anderer die Vorgänge in meiner Muschi kontrolliert - geht's noch?! Für den Partner dürfte das unter Umständen natürlich ausgesprochen praktisch sein, denn wenn er über die eine Fernbedienung verfügt, muss er die für den Fernseher ja im Prinzip ebenfalls gleich gar nicht mehr aus der Hand legen. Und womöglich die Hosen runterlassen.

Ich persönlich habe ja grundsätzlich nicht sehr viel übrig für Sex mit Platzhaltern. Ich finde, sie sind irgendwie wie diese Tampons mit den prüden Applikatoren. Sie halten einen fern von sich selbst. Man macht sich halt die Hände nicht "schmutzig". Ein "Auflegevibrator" für die Klitoris? Ernsthaft? Für jemanden, der seit geraumer Zeit um Selbstakzeptanz, Selbsterfahrung und das Abschütteln von Scham ringt, scheinen sie ein eher steriles und damit eindeutig entgegengesetztes Verständnis von weiblicher Körperlichkeit und Körperbewusstsein zu symbolisieren. Naja..., und wenn man mich fragt, ist Sex im Idealfalll ohnehin stürmische und achtsame Kommunikation mit jemand anderem, den man so richtig toll findet.

Was nun allerdings die Kugeln angeht - diese dienen natürlich weniger der Stimulation, als dem Training des Beckenbodens. Wenn die Unterwelt schön straff ist, ist das schließlich gut fürs Gefühl und obendrein hat frau bessere Chancen, sich nicht irgendwann beim Husten ins Höschen zu machen. Von diesen Hochglanz-Schönheiten kann man also gar nicht genug haben. ; )

*"Haul" (Beute): Blogger-Ausdruck für die Präsentation von Einkäufen.

NH